Experimentelle Untersuchungen zu Rückbau und Wiederverwendung von Spannbeton-Fertigdecken
Spannbeton-Fertigdecken haben als Betonfertigteile das Potential, beim Rückbau eines Gebäudes zerstörungsfrei ausgebaut und erneut in einem anderen Gebäude eingebaut zu werden. Damit bleiben die Bauteile im Kreislauf. Es müssen keine neuen Produkte mit neuen Rohstoffen und hohen CO2-Emissionen hergestellt werden.
In diesem Beitrag werden die Ergebnisse eines gemeinsamen Forschungsprojektes des Bundesverband Spannbeton-Fertigdecken e.V. (BVSF) und der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität in Kaiserslautern (RPTU) vorgestellt.
Zirkuläres Bauen statt Entsorgung auf Deponien
Mit bis zu 40% des globalen Energieverbrauchs und fast einem Drittel der weltweiten Abfallmenge zählt die Baubranche zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen überhaupt. Allein in Deutschland werden laut dem Statistischen Bundesamt jährlich 520 Mio. t Baumaterial hergestellt.
Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig gerade im Bausektor ein effizienter und nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen und Energie ist – besonders vor dem Hintergrund wachsender Ressourcenknappheit.
Zerstörungsfreier Rückbau
Um Erfahrung und Wissen im Bereich des Rückbaus und der Wiederverwendbarkeit von Spannbeton-Fertigdecken zu konkretisieren, wurde im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts des BVSF und der RPTU auf dem Werksgelände der Firma KASTELL in Veringenstadt eine Versuchsfläche aus acht Deckenelementen aufgebaut.
Mittels Betonbruch wurde auf die Versuchsfläche eine Flächenlast von 5 kN/m2 aufgebracht, um einen Fußbodenaufbau und eine Büronutzung zu simulieren. Nach 69 Tagen wurde das Schüttgut entfernt und die Deckenfläche demontiert.
Für einen zerstörungsfreien Rückbau spielt die Plattenlängsfuge eine entscheidende Rolle. Herkömmliche Verfüllungen der Längsfugen schaffen starre, schwer lösbare Verbindungen. In dieser Versuchsreihe wurden vier unterschiedliche Fugenausbildungen überprüft und beurteilt.
Untersuchungen mit verschiedenen Fugenausbildungen
Nach dem Rückbau wurden die Bauteile zur RPTU gefahren. An der Universität fanden dann die experimentellen Untersuchungen zum Biegetrag- und Verformungsverhalten der demontierten Deckenelemente statt. Diese Ergebnisse wurden mit den Eigenschaften der unbelasteten, aber identisch gelagerten und am gleichen Tag produzierten Deckenelemente verglichen.
Zu diesem Zweck wurden elf Spannbeton-Fertigdeckenelemente in einer Plattenlänge von 7 m und einer Plattendicke von 20 cm produziert. Acht dieser Elemente (7 x 1,20 m breite Standardplatten und 1 x 0,70 m breite Passplatte) wurden in der Versuchsfläche montiert und vergossen. Die drei übrigen Elemente wurden nicht belastet und dienten als Referenz für den späteren Vergleich des Trag- und Verformungsverhaltens an der RPTU.
Versuchsverlauf
Nach 69 Tagen wurde die Auflast entfernt und die Deckenelemente an ihren Bauteilenden umlaufend mittels Sägeschnitte vom Ringanker getrennt. Zum Abheben mit Anschlagketten wurden alle Deckenelemente mit jeweils zwei in Auflagernähe durchgehenden Bohrlöcher versehen.
Der Rückbau erfolgte am Deckenrand bei der ersten dreiseitig umschlossenen Platte. Fingerspitzengefühl und Erfahrung halfen beim zerstörungsfreien Trennen der Plattenelemente. War das Lösen der schalölbehandelten Fuge und der mit Spannschlössern oder Schubtaschen und losem Füllmaterial ausgebildete Fuge noch unproblematisch, wurde für das Trennen der konventionell vergossenen Plattenlängsfuge das Schrägstellen der Anschlagketten mit einem kleinen Kniff erfolgreich angewendet.
Trag- und Verformungsverhalten
Im Labor für Konstruktiven Ingenieurbau der RPTU in Kaiserslautern wurden Versuche an vier zurückgebauten und drei unbelasteten Platten durchgeführt.
Die Auswertungen zeigen, dass sich während der drei Belastungszyklen auf Niveau des Grenzzustands der Gebrauchstauglichkeit (GZG) die unbelasteten, nichtverbauten und die belasteten, rückgebauten Bauteile vergleichbare und annähernd linear-elastisch verformten. Auch bei Erreichen der rechnerischen Traglast (GZT) sowie der anschließenden Laststeigerung bis zum Bruch verhielten sich die zuvor unbelasteten als auch die rückgebauten Bauteile qualitativ ähnlich. Erst bei den finalen Versuchen für den Bruch und bei den Versagenslasten erzielten die unbenutzten Spannbeton-Fertigdecken erhöhte Verformungen als die rückgebauten Deckenelemente, allerdings traten diese Unterschiede im Trag- und Verformungsverhalten außerhalb eines baupraktisch relevanten Bereichs auf.
Eine Nutzungseinschränkung in der Wiederverwendung ist daraus nicht begründet.
Einen Artikel der RPTU in Kaiserslautern mit allen Ergebnissen finden Sie in der Beton- und Stahlbetonbau 6/2024 können Sie unter: https://doi.org/10.1002/best.202400001.
Fazit
Spannbeton-Fertigdecken weisen ein vielversprechendes Potenzial zur Wiederverwendbarkeit auf. Pilotprojekte und Forschungsergebnisse in anderen europäischen Ländern bestätigen diese Annahme.
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird in einem weiteren Forschungsprojekt zum einen untersucht, wie die Demontage konventionell vergossener Deckenelemente optimiert werden kann und wie in Zukunft leicht lösbarere Fugenausbildungen aussehen können. Zum anderen fehlt es in Deutschland an allgemein gültigen Prüfverfahren für visuelle und praktische Untersuchungen an Spannbeton-Fertigdecken für eine Wiederverwendung. Dafür kann das Folgeforschungsprojekt ebenfalls wissenschaftliche und praxisgerechte Daten liefern.